Ich fahre gern Auto. Ausgesprochen gerne. Es macht mir nichts aus, mich tagtäglich hinters Steuer zu setzen. Mittlerweile bin ich so in elfeinhalb einundzwanzigeinhalb (bin ich wirklich so alt??) Jahren auf schätzungsweise 340000 gefahrene Kilometer gekommen und wurde dreimal geblitzt, habe 4 mal falsch geparkt und ich habe einen Unfall verursacht – wobei man dazu sagen muss, dass es Winter war und das Glatteis das Rechtsabbiegen unmöglich machte. Naja, dann gab es noch ein paar kleinere Rempler, die allerdings ohne sichtbare Schäden verliefen. Mir selbst ist zweimal ein Unfallgegner reingebrettert. Mein altes kleines Auto und meine Nerven haben darunter sehr gelitten.
Autofahren ist ein wiederkehrendes Risiko. Jeden Tag läuft man Gefahr, dass was passiert.
Nicht, dass ich unsicher fahren oder mich vor dem Verkehr fürchten würde. Mir macht Fahren einfach Spaß, ob nun in bundesdeutschen Großstädten oder beispielsweise in der Türkei, wo Autofahren immer noch mit viel Kreativität und Hupen einher geht. Da ist es nicht weiter schlimm, wenn man trotz Gegenverkehr überholt – die weiteren Verkehrsteilnehmer weichen ganz selbstverstädlich auf den Seitenstreifen aus und so wird jedes Überholmanöver möglich und kalkulierbar.
Vor drei Tagen allerdings auf der Landstraße zwischen meinem Dorf und Falkensee gab es ein Überholmanöver der besonderen Art. Ein paar Autos vor mir überholte ein kleiner grüner Peugeot und ich beobachtete die Szenerie und fragte mich, warum man überholt, obwohl kein Schleicher vor einem ist und sich das Manöver recht lange hin zog, da der Überholer nur geschätzte 2 Km/Std. schneller war als der Überholte. Das Elefantenrennen wurde sogar fortgesetzt, als schon der Gegenverkehr in Sichtweite kam. Da dachte ich noch „wann will der denn mal wieder auf unsere Spur zurück?“, als der Gegenverkehr auf gleicher Höhe war. Der erste Wagen auf der gegenüberliegenden Spur versuchte dann, nach rechts auszuweichen – da es aber keinen Standstreifen gab, ist er irgendwie im Rasenstreifen ins Schlingern geraten. Der Fahrer dahiner hat offenbar gar nicht mitbekommen, was da passierte, hat dadurch nicht abgebremst und plötzlich sah es so aus, als versuchen 4 Autos 2 Spuren zu verdoppeln. Fahrer 2 hatte jetzt die Wahl zwischen in den Gegenverkehr reinzubrettern oder nach rechts zu ziehen. Er entschied sich für letzteres, wodurch er nicht in mein Auto reinrutschte, sondern dem ersten vom Gegenverkehr voll von links in die Seite fuhr. Anschließend sah ich nur noch Autoteile, darunter ein rechter Außenspiegel, durch die Luft fliegen. Alle Autos hielten an – nur der grüne Peugeot fuhr unbehelligt davon. Natürlich hat sich Niemand das Kennzeichen gemerkt. Nachdem der Schreck verdaut war und es sich kurz darüber ausgetauscht wurde, wer was gesehen hat, setzte ich die Fahrt fort und an der nächsten Querstraße bog vor mir ein grüner Peugeot ein. Hmmmm, ist das jetzt der Übeltäter? Wie viele hellgrünmetallic Peugeots 106 gibt es im Havelland? Zufall? Ich weiß es nicht – jedenfalls habe ich mich dagegen entschlossen, den kleinen Grünen vorzuverurteilen aufgrund seiner Hautfarbe… sozusagen.
Einen Tag später: ich warte geduldig, dass ich links abbiegen kann, fahre dann gemächlich los als neben mir ein Vierzigtonner mit überhöhter Geschwindigkeit die Geradeausspur zum Linksabbiegen benutzt und mich dabei schneidet. Zwei Kreuzungen weiter nimmt mir ein Taxi die Vorfahrt, schleicht anschließend mit 30 vor mir her, um an der nächsten Ampel einfach bei Rot von dannen zu fahren. Ich sitze dabei in Mamas feuerwehrroten Auto mit weißen Ralleystreifen und frage mich, ob nur ein Blaulicht garantiert, nicht übersehen zu werden.
Zurück in meinem angestammten schwarzen Kombi musste ich heute auf der Fahrt zur Arbeit zwei mal eine Vollbremsung machen, damit die weiteren Verkehrsteilnehmer vor mir ohne Blinken und recht abrupt schadlos die Spur wechseln können. Na, gern geschehen! Sind wir jetzt mit der Fahrspur einverstanden? Gehts noch???
Wenn man nicht immer die Blödheit der Anderen einkalkulieren würde, hätte ich jeden Tag einen Unfall. Mehrmals.
Langsam macht es keinen Spaß mehr.
Übrigens waren bei der Fahrerin des grünen Peugeots und dem Taxifahrer eindeutig zu erkennen, dass das Haupthaar ergraut war und sie, sagen wir mal, die 60 überschritten haben. Nun will ich ja ein braver Bürger sein und mich nicht über solche Kleinigkeiten wie das Alter aufregen. Das ist politisch nicht korrekt. Trotzdem frage ich mich, warum es reicht, einmal im Leben einen Sehtest zu machen, einmal einen Erstehilfekurs, einmal eine Führerscheinprüfung und danach ohne regelmäßige Eignungstests noch 60 Jahre ein Fahrzeug zu lenken und sich und andere zu gefährden.
Als Ersthelfer in der Firma mache ich alle 2 Jahre einen neuen Kurs mit. Nur für den Fall, dass ich vielleicht mal Erste Hilfe leisten muss. In 18 Jahren habe ich erst ein Mal einen Kollegen nach einem Kreislaufkollaps in eine Decke gehüllt. Aber gut, dass ich dafür ausgebildet wurde! Warum werden Kraftfahrer, die mit einem Gerät unterwegs sind, was Menschen töten kann, nicht regelmäßiger auf ihre Eignung hin untersucht?
Jetzt zum Wunschkonzert:
Ich wünsche mir einen Tag Panzerfahren ohne Reue in Berlin. Mit einem Panzer ohne Zulassungskennzeichen. Dann würde ich nicht mehr für Idioten bremsen. Und diese aufgerissenen Türen an der Fahrbahnseite, aus denen die Leute ihren Einkauf entladen, würde ich mit Wonne und einem Lächeln im Gesicht mit meinem Panzer wegreißen. Langsam befürchte ich, Autofahren macht mich aggressiv. Halt! Nicht nur mich. Aber träumen wird man doch noch dürfen…